Das wichtigste über Persönlichkeitsentwicklung | Circling Seminare Schweiz

Persönlichkeitsentwicklung ist heutzutage zu einem Mode-Wort geworden, dass für fast alles verwendet wird: Neue Fähigkeiten lernen, neues Wissen anhäufen, in eine andere Branche einsteigen, Argumente anders formulieren etc.

In diesem Artikel will ich ein anderes Licht auf Persönlichkeitsentwicklung werfen, und die Faktoren hervorheben, die es braucht damit sich die Persönlichkeit auch wirklich entwickelt!

Was bedeutet Persönlichkeitsentwicklung wirklich?

Persönlichkeitsentwicklung bedeutet kurz zusammengefasst, dass wir über die Person/Identität, als die wir uns im Moment definieren, hinauswachsen und eine neue, meist integrativere und komplexere Persönlichkeit entwickeln.

Die vorangehende Identität wird dann wiederum in die neue Persönlichkeit mit integriert. Wir werden also nicht zu jemand anderem, sondern bloss zu einer weiterentwickelten Form unserer Selbst.

Kinder wachsen in einem spontan erfolgenden Prozess immer wieder über sich hinaus und integrieren die vorangehenden Identität, deren Fähigkeiten und Bedürfnisse, bis sie zu erwachsenen Menschen werden.

Dasselbe kann auch im Erwachsenenalter noch geschehen. Diese evolutionäre Bewegung von kleiner zu immer grösserer Komplexität hört beim erwachsenen Menschen nicht auf! Die Entwicklung der Persönlichkeit hört nie auf.

Der einzige Unterschied, bei der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und der des erwachsenen Menschen ist, das die erwachsene Person bewusst mit dieser Entwicklung interagieren muss, damit sie geschieht! (Oder sie macht es eben nicht.)

Persönlichkeitsentwicklung geschieht immer dann, wenn wir mit unserem Weltbild, also unserer Art aus der Welt Sinn zu machen, die erfahrene Realität nicht mehr befriedigend beschreiben können.

Stellen sie sich vor eine Frau ist in einer Familie aufgewachsen, in der es missbilligt wurde Wut zu zeigen. Die Frau bildete also eine Persönlichkeit um das Verständnis herum, dass Wut im Kontakt mit Menschen, die sie liebt missbilligt wird und nicht gezeigt werden sollte.

Nun kommt diese Frau in ein Seminar und erlebt eine andere Teilnehmerin, die ganz offen ihrer Wut Ausdruck verleiht. Die anderen Teilnehmer reagieren überhaupt nicht missbilligend. Manche sagen sogar sie fühlen sich nun entspannter.

Diese Situation kann für unsere Frau aus der Perspektive ihrer momentanen Persönlichkeit keinen Sinn machen. Aus der Perspektive ihrer Erfahrungen als Kind, können die Teilnehmer nur entweder gelogen haben, oder es ist keine Liebe in dieser Beziehung. Da dies aber beides nicht der Fall zu sein scheint, ist sie mit Ihrem Weltbild an eine Grenze gestossen.

Die Frau hat nun die Möglichkeit ein neues Verständnis für die Realität zu finden. Dies beinhaltet sehr wahrscheinlich, dass sie den Ursprung für ihr Weltbild in ihrer Erziehung als kleines Mädchen finden wird. Das Weltbild kann dann von einer subjektiven Wahrnehmung (‚So ist die Welt!‘ ‚So bin ich!‘) zu einer inneren objektiven Wahrnehmung (‚Ein Teil von mir glaubt so ist die Welt, aber dieser Teil bin nicht ICH‘) werden. Dadurch entsteht mehr Freiheit für die Frau.



Aus subjektiver Wahrnehmung wird objektive Wahrnehmung

Genau diese Bewegung von Subjekt zu Objekt beschreibt der bekannte Entwicklungspsychologe Robert Kegan und unterteilt die subjektive und die objektive Erfahrung des Innenlebens in dieser Grafik:

Subjektiv
Elemente in unserem Bewusstsein und Wissen, welche wir sind. Alles was wir sind oder davon beherrscht sind ist subjektiv. Subjektive Elemente können wir nicht: * Kontrollieren * Reflektieren * Verantwortlich dafür sein Absolut Die subjektive Ebene der Erfahrung ist unmittelbar. Objektiv Elemente in unserem Bewusstsein oder Wissen, welche wir haben.

Wir können über objektive Elemente: * Reflektieren und diese betrachten * Kontrolle übernehmen und verantwortlich dafür sein * Entscheidungen treffen, diese handhaben und anpassen Relativ die objektive Dimension der Erfahrung ist beeinflussbar.

Entwicklung bedeutet immer, dass subjektive Anteile (‚Das bin ich!’) zu objektiven Anteilen (‚Das habe ich!‘) werden

Über alles, was also objektiv in unserer Erfahrung erscheint, haben wir eine gewisse Kontrolle und können dafür Verantwortung übernehmen. Ein Baby, das in die Windeln pinkelt, kann dafür keine Verantwortung übernehmen. Es ist der Impuls. Erst später in der Entwicklung des Kindes wird es merken, dass der Impuls etwas ist, was es kontrollieren kann. Das Kind hat dadurch mehr Macht
(Selbstbestimmtheit, Freiheit) und gleichzeitig mehr Verantwortung.

Bei Kindern geschieht diese Entwicklung ganz von selbst. Ab einem gewissen Selbst-Bewusstsein müssen wir aber aktiv mit diesem Prozess interagieren, damit weitere Entwicklung geschieht. Damit wir also noch freier, selbstbestimmter und verantwortungsvoller Leben können müssen wir mit dem Bewusstsein ‚arbeiten‘.

Was macht Persönlichkeitsentwicklung möglich?

 

Neue Impulse, die die momentane Weltsicht herausfordern und ausdehnen
Damit wir ein neues Verständnis von der Realität bilden können, braucht es immer zuerst Erfahrungen oder Informationen, die nicht mehr mit dem alten Verständnis – also unsere Weltsicht – erklärt werden können.

Am besten ist es, wenn solche Erfahrungen in einem Rahmen geschehen, in dem wir uns sicher fühlen und neue Informationen in einem Ausmass kommen, so dass wir gut damit umgehen können.

Wenn zum Beispiel eine uns sehr nahe stehende Person, sich auf eine Art verhält, die sich unserem Verständnis komplett entzieht und ihr Verhalten negative Auswirkungen auf uns hat, geschieht auch eine Transformation unseres Weltbildes und unserer Persönlichkeit. Aber es ist dann viel schwieriger, diese Transformation in gesunde und konstruktive Bahnen zu lenken.

Nicht alles was uns an unsere Grenzen bringt ist deshalb gut dafür geeignet, persönlich zu wachsen. Zu viele neue Impulse können auch Verwirrung stiften und eher zu einem Freeze (Überladung des Nervensystems) führen als zu einem Durchbruch zu einem komplexeren und integrativerem Verständnis für sich selbst und die Welt.

Wenn aber der richtige Rahmen gegeben ist, kann durch neue Impulse ein Lernfeld entstehen, das dich überraschen wird!

Denn bei Persönlichkeitsentwicklung geht es nicht um das Lernen von neuem Wissen oder neuen Fähigkeiten – was auch als horizontales Lernen bezeichnet wird.

Es geht um das Umstrukturieren des gesamten Verständnis für sich selbst und die Welt! Das heisst, unsere Art wie wir die Realität interpretieren. Unser Selbstbild und Identität sowie unsere Wahrnehmung wird verändert!

Vertikale Entwicklung (Bewusstseinsstufen) anstatt horizontale Entwicklung (Wissen und Fähigkeiten)
Ich sage deshalb, ‚das Lernfeld wird dich überraschen‘, weil es sich nicht wie ‚Lernen‘ anfühlt. Oft wenn wir das Wort ‚Lernen‘ hören, tauchen sofort Bilder in unserem Kopf auf von vollen Bibliotheken, müdem büffeln von leeren Formeln, endloses Recherchieren an Computern.

Das Lernfeld von dem ich hier spreche ist aber etwas ganz anderes: Es gleicht vielmehr
dem Spiel eines Kindes. Es ist ein verkörpertes Lernen, ein intuitives Lernen, das nicht kognitiv gegriffen werden kann.

Ein Raum, der genug Sicherheit erschafft und genügend neue Impulse gibt, macht es möglich, dass wir uns mit unseren tiefsten Annahmen über die Realität auseinandersetzen können. Dadurch verändern wir nicht nur unseren Umgang mit etwas, dass uns problematisch erscheint, wie zum Beispiel eine Sucht.

Bloss unseren Umgang zu verändern wäre das erlernen einer besseren ‚Coping-Strategie‘. Eine Strategie also, die uns erlaubt besser mit einer Gegebenheit umzugehen. Dieses erlernen liegt auf der Ebene der horizontalen Entwicklung (Wir lernen etwas dazu, z.B. ein Werkzeug um Sucht besser handhaben zu können, aber unser Weltbild verändert sich nicht)

Vertikale Entwicklung Transformation in wie wir wissen, wie wir Sinn aus der Erfahrung machen. Neue Weltsicht, neues Verständnis für die Realität von höherer Stufe (neues Meaning-Making) Horizontale Entwicklung Erweiterung von dem ‚was wir wissen‘. Neue Fähigkeiten, Informationen und Wissen bei unveränderter Weltsicht (gleiches Meaning-Making)

In sicheren Räumen und mit genügend neuen Impulsen entsteht aber, im Gegensatz zum einfachen Erlernen von mehr Strategien zum Umgang mit dem bereits bekannten, eine grundlegend neue Möglichkeit: Nämlich dass wir uns auf der Ebene der vertikalen Entwicklungen bewegen!

Nur wenn wir uns auf dieser vertikalen Achse bewegen, kann ernsthaft von Persönlichkeitsentwicklung gesprochen werden, weil sich die Persönlichkeit auch tatsächlich verändert.

Arbeiten mit blinden Flecken – Es ist alles bereits da!
Um bei dem Beispiel mit der Sucht zu bleiben: In der ersten Grafik, kannst du in der Sparte ‚Subjekt‘ sehen, dass die subjektive Wahrnehmung als ‚unmittelbar‘ wahrgenommen wird. Wir haben keine Kontrolle über diese Wahrnehmung, solange wir uns damit identifizieren.

Das heisst die Sucht erscheint mir wie bereits erwähnt als eine Gegebenheit mit der ich als einziges den bestmöglichen Umgang finden kann. Allerdings wird niemand mit einer Sucht geboren. Diese ist erst später im Leben auf Grund von mehreren Faktoren entstanden.

Da solche tiefe Prägungen – wie auch im Beispiel mit der Frau und dem Ausdruck von Wut – meist sehr früh in unserer Entwicklung geschehen, haben wir oft ‚blinde Flecken‘ für diese Verhaltensweisen. Wir sind dermassen daran gewöhnt, dass dieses Verhalten normal ist, dass wir überhaupt nicht sehen können, anhand welcher internalisierten Logik, dies denn normal ist.

Wir alle wachsen in einer Familie und in einer Kultur auf, die ebenfalls solche blinde Flecken hat. Und so übernehmen wir ganz natürlich Verhaltensweisen und Arten zu Denken, deren unterliegende Logik wir selbst nicht so recht verstehen.

Wir sind eins mit dieser Verhaltensweise, es ist unsere subjektive Brille auf die Realität. Der Süchtige würde aus dieser Perspektive sagen: ‚Ich bin süchtig.‘ Die Frau aus unserem Beispiel vielleicht: ‚Ich bin schlecht wenn ich meine Wut zeige!‘

Beides – die Sucht und der Glaube Wut auszudrücken wäre schlecht – sind Dinge, die diesen zwei Menschen im Wege stehen, um ein selbstbestimmteres und erfüllteres Leben zu führen.

Viele betrachten ähnliche ‚Gegebenheiten‘ aus ihrer eigenen subjektiven Brille und bleiben auf dieser Bewusstseinsebene stecken. Die einzige Möglichkeit, die sie sehen, ist sich immer bessere Strategien anzueignen, wie sie mit der ‚Gegebenheit‘ umgehen können. Auf dieser Ebene kann das Problem aber nie gelöst werden. Es ist ein ewiges Suchen ohne zu finden. Ich finde es schmerzhaft, das mitzuerleben.

Die Frau fühlt sich nach einiger Zeit im Seminar ermuntert mit ihrem Erleben und dem Ausdruck davon zu experimentieren. Ein Teilnehmer hat sie schon die gesamte Zeit irritiert und als er jetzt wieder etwas sagt, teil sie ihm mit, dass seine Aussage sie nervt.

Ihre Wut ist immer noch stark kontrolliert aber kommt durch den verbalen Ausdruck bereits zur Geltung. Die Frau ist sichtbar angespannt und erwartet scheinbar einen Angriff oder Tadel. Der Mann gibt das authentische Feedback: ‚Ich habe mich selbst die ganze Zeit genervt gefühlt und wollte dich irgendwie provozieren, auch wenn ich nicht verstand warum. Nun da du deine Genervtheit aussprichst und ich deine Wut ein bisschen sehen kann, entspannt sich etwas in mir.’

Kurze Zeit später, beginnt die Frau zu weinen. Die Spannung, die sie die ganze Zeit gehalten hat um den Ausdruck ihrer Wut zu unterdrücken, konnte teilweise gelöst werden und drückt sich nun in Trauer aus. Die subjektive Wahrnehmung, dass das Ausdrücken ihrer Wut, die ihr nahestehenden Menschen gegen sie wenden wird, verliert langsam an Macht und Realität.

Durch solche Erfahrungen, wie in diesem Beispiel beschrieben, wird es möglich, dass eine subjektive Wahrnehmung zu einem Objekt in unserer Wahrnehmung wird. Diese Wahrnehmung ist dann nicht mehr die absolute und unumstössliche Wahrheit, sondern es ist psychologischer Raum entstanden, in dem die Person plötzlich die Möglichkeit hat auch andere Realitäten zuzulassen. Zum Beispiel die Realität, dass gut kommunizierte Wut durch den intensiven Kontakt mehr Intimität erschaffen kann.

Im Falle der Sucht, kann die betroffene Person entdecken, dass die Sucht eigentlich einen emotionalen Urgrund hat. Die Sucht, die er nun hat anstatt ist, kann er reflektieren, handhaben und die Verantwortung dafür übernehmen. So könnte er sich zum Beispiel Möglichkeiten suchen, die unerfüllten emotionalen Bedürfnisse, die er mit der Sucht zu befriedigen suchte, direkt oder zumindest direkter zu befriedigen.

Persönlichkeitsentwicklung durch Circling Seminare

In unseren Circling Seminaren (Wochenenden, Tagen und Abenden) erschaffen wir genau einen solchen sicheren Raum zum Entdecken und Erforschen von blinden Flecken und helfen dir bei der Integration dessen, was sich zeigt.

Der Kontext, der diese Praktik erschafft, bringt jeden einzelnen Teilnehmer – sowie uns Facilitators – auf eine gute Art immer wieder an die Grenzen unseres Weltbildes. Natürlich nur in dem Tempo, in dem du dies auch für deinen Wachstum nutzen kannst und es für dich förderlich ist.

Siehe auch ‚Die Fünf Prinzipien‘, für mehr Informationen zum Kontext von Circling.

Im Circling geht es explizit nicht darum, dir neues Wissen anzueignen oder eine Strategie zu lernen, mit der du mehr Intimität erfahren kannst.

Im Circling geht es darum mit dem präsent zu sein was schon ist, z.B. Material aus blinden Flecken, unausgesprochene Gefühle, versteckte Anziehung, starke Körperempfindungen, Lebendigkeit und Spontaneität.

Circling ist ein Raum für erfahrenes Lernen. Genau wie ein Kind ‚Erwachsene‘ spielt und so durch ihren Körper lernt, was das bedeutet, spielen wir im Circling ‚Individuen in der Gruppe‘ und erfahren durch unseren Körper, unsere Gefühle, Gedanken und Empfindungen, was das bedeutet.

Wir erkennen wie wir uns auf andere Menschen beziehen, also wie wir in Beziehung sind. In diesem sicheren Raum entdecken wir immer mehr von unseren Verhaltensmustern, die wir in jeder Beziehung (mehr oder weniger) ausleben.

Wie die Frau, die ihre körperlich verankerte Überzeugung ‚Wenn ich Wut zeige, werde ich nicht geliebt!‘, zu einem Objekt in ihrer Wahrnehmung verwandelt hat, so können auch wir unsere subjektiven Wahrnehmungen in einem sicheren Setting zu erfahren beginnen, diese langsam aus dem Zentrum unserer Wahrnehmung schieben und einen gewaltigen Schritt in Richtung persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung tun!

Und wir wissen immer noch nicht genau was in die Richtung von Bewusstseinsentwicklung alles auf uns wartet! In den letzten Jahrzehnten sich etliche Studien zu Entwicklungspsychologie gemacht worden, die wissenschaftlich mindestens drei weitere Bewusstseinsstufen (Levels of Meaning-Making) beschreiben, die über das konventionelle Bewusstsein des ‚Erwachsenen‘ hinausgehen!

Welche Erfahrung von Freiheit, Selbstverwirklichung und Einheit erwarten und in den höheren Ebenen des menschlichen Bewusstseins? (Falls dich das interessiert, empfehle ich dir Rob McNamaras Buch ‚The Elegant Self‘, sowie die Studien von Susanne Cook-Greuter und Robert Kegan!)

Auf ins Abenteuer!

Samuel Schüpbach leitet als Circling Facilitator seit 2018 Kurse und Workshops in der Schweiz. Seine Ausbildung bei Circling Europe umfassen zwei SAS Leadership & Embodiement Trainings, sowie das SAS Pro - Advanced Training. Seine Leitung ist dynamisch mit einer tiefen Präsenz und Neugier für die subtilen Ebenen der zwischenmenschlichen Beziehung

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